Für Rollstuhlfahrer Claudio Giudice hatte das Jahr 2016 einiges zu bieten. Neben seinem Traumurlaub auf Jamaika ist auch sein zweiter großer Wunsch in Erfüllung gegangen. Seit dem 10. Oktober ist er nicht nur Kunde sondern auch Mitarbeiter der SAB.Ruhr. Durch eine neugeschaffene Stelle regelt Guidice erstmals ein zentralisiertes Bewerbermanagement und steigert so die Effizienz der Abläufe innerhalb und außerhalb des Unternehmens.
Für überarbeitete Menschen mag es paradox klingen. Werden sonst häufig Auszeiten, Urlaube und freie Tage herbeigesehnt, sorgt bei Claudio Giudice (26) auch der berufliche Alltag für größte Freude: „Ich bin sehr froh, wie es aktuell läuft. Der Traumurlaub auf Jamaika ist wahr geworden, ich habe endlich einen Job bei der SAB.Ruhr gefunden und bekomme hier gutes Feedback. Ich bin wunschlos glücklich.“
Sonderregelungen können Jobsuche erschweren
Bis es so weit war, musste Giudice viel Geduld aufbringen. Trotz erfolgreicher Ausbildung zum Bürokaufmann, ersten beruflichen Erfahrungen und Weiterbildungsmaßnahmen erhielt er keine echte Chance, sich am ersten Arbeitsmarkt zu beweisen. Sonderrechte, die Guidice, der durch die Erbkrankheit Osteogenesis imperfecta auf Rollstuhl und Hilfe angewiesen ist, das Arbeiten erleichtern sollten, wurden eher zur Barrieren: „Einige Arbeitgeber haben leider in erster Linie den zusätzlichen Aufwand gesehen, der durch die Regelungen für Rollstuhlfahrer entstehen kann. Natürlich sind die Anforderungen sehr wichtig, aber es ist sehr unglücklich, wenn dadurch die Chancen bei der Jobsuche kleiner werden.“
Optimale Lösung
Die Lösung ist hausgemacht. SAB.Ruhr-Geschäftsführer Deni Halilovic ist bestens mit der Biografie des 26-Jährigen vertraut, wusste um dessen Fähigkeiten: „Ich werde seit Jahren von der SAB.Ruhr betreut, lebe in der WG Wallbaumweg direkt über den Geschäftsräumen hier in Lagendreer, mein Arbeitsweg ist also übersichtlich“, scherzt der neue Mitarbeiter Giudice. „Herr Halilovic wusste also, dass ich seit Längerem auf Jobsuche war und fragte, ob ich mir vorstellen könnte, für die SAB.Ruhr zu arbeiten.“ Nach einer kurzen Probezeit war beiden Parteien schnell klar: Das optimale Modell wurde gefunden.
Zuständig für das Bewerbermanagement
Seit dem 10. Oktober betreut Giudice seinen eigenen Fachbereich. Geschäftsführer Halilovic: „Er ist bei uns für das Bewerbermanagement zuständig. Durch ‚Job-Slicing‘ haben wir einzelne Aufgaben aus unternehmerischen Gebieten herausgenommen und eine neue Stelle geschaffen. Wir wollten eine Chance generieren und hatten direkt Erfolg.“ War das Bewerbermanagement vorher noch auf mehrere Köpfe aufgeteilt und die Synchronisation der Abläufe mit gewissem Aufwand verbunden, laufen nun alle Fäden auf Giudices Schreibtisch zusammen.
Deutlich besserer Service
„Seine Kompetenzen sind berauschend“, ist Halilovic voll des Lobes für den neuen Mitarbeiter. „Er ist Verbindungsstelle und erster Ansprechpartner – intern und extern. Er veröffentlicht Stellenvakanzen und pflegt Job-Portale. Schon jetzt gehen seine Aufgaben über das reine Bewerbermanagement hinaus.“ Rund 250 Personen bewerben sich pro Monat bei der SAB.Ruhr: „Eine hohe Anzahl“, urteilt Halilovic, aufgrund derer zum Teil „nicht allen immer abgesagt werden konnte, da uns die Kapazitäten bislang fehlten.“ Um den Service gegenüber Bewerbern weiter zu steigern, wird das „Recruiting“ der nächste Schritt sein.
Unternehmer-Netzwerk soll entstehen
Damit Giudice der erste von vielen Menschen mit Beeinträchtigungen ist, der es an den ersten Arbeitsmarkt geschafft hat, möchte die SAB.Ruhr in absehbarer Zeit ein Unternehmer-Netzwerk schaffen, wie Halilovic ankündigt: „Wir möchten Arbeitgeber dafür sensibilisieren, Menschen mit Handicaps Chancen zu geben. Häufig fehlen z.B. Informationen über Refinanzierungsmaßnahmen, die starken Regulierungen des Kündigungsschutzes schrecken ab. Diese ‚Überbehütung‘ durch die Gesetzgebung kann kontroverse Wirkungen haben, wie es Claudio leider auch erfahren musste.“
Idealer Arbeitsplatz
Seine Doppelrolle als Mitarbeiter und Kunde zugleich beeinflusst Giudices Arbeit weniger: „Ich kannte natürlich die meisten Mitarbeiter schon. Aber ich arbeite nicht hauptsächlich mit dem Pflegepersonal zusammen, sondern auch zur Hälfte für den Bereich ‚Schulbegleitung‘. Natürlich sieht man sich aber mal auf dem Flur, quatscht etwas. Ab und an gibt es also Überschneidungen.“ Das große Büro sei bestens für seinen höhenverstellbaren Rollstuhl geeignet: „Der Arbeitsplatz ist wie für mich gemacht. Es gibt eine Behinderten-Toiletten, ich bekomme ein Headset zum Telefonieren, eine automatische Eingangstür ist wohl auch in Planung. Alles ist optimal, ich bin echt froh, dass es geklappt hat.“
Nicht immer lief es so reibungslos: „Ich habe schon andere Erfahrungen gemacht, bin früher auch mit Bauchschmerzen zur Arbeit gegangen, aufgrund des dortigen Klimas. Hier aber kann ich meine Fähigkeiten einbringen und habe Spaß an meinem Job.“ Schließlich sieht er das Ergebnis Tag für Tag: „Es ist ein schönes Gefühl, wenn ein Kind zur Schule gehen kann oder ein Kunde vernünftig betreut wird.“
Auch nicht unwichtig: Während seines zweiwöchigen Jamaika-Urlaubs übernahm eine Vertretung seine neugeschaffene 30-Stunden-Stelle, so dass Giudice beruhigt mit seinem SAB.Ruhr-Betreuer Frank Glinka in die Karibik fliegen konnte.