Spannungsfeld Schule

Inklusion ist zurzeit ein aktuelles Thema. In den regionalen Medien wird sie kontrovers diskutiert. Beinahe wöchentlich sind neue Artikel in der Presse zu lesen. Warum ist das Thema Inklusion derart brisant?

Welches sind die Hintergründe?

2009 ratifizierte die Bundesregierung den Artikel 24 der UN Behindertenkonvention. In diesem Artikel wird gefordert, dass alle Kinder, auch Kinder mit Behinderung, ein Recht auf eine allgemeine Schulbildung an einer Regelschule haben. Sie dürfen nicht aufgrund ihrer Behinderung vom Schulbesuch einer normalen Grundschule oder auch weiterführenden Schule ausgeschlossen werden. Weiter heißt es, dass ein inklusives Bildungssystem gewährleistet sein muss, in dem Schüler mit und ohne Behinderung gemeinsam lernen können.

Was bedeutet inklusives Bildungssystem genau?

Die Begriffe Integration und Inklusion werden oft synonym benutzt. Während Integration bedeutet, dass Schüler mit Behinderung eine Regelschule besuchen und dort je nach ihren Förderbedarf unterstützt werden sollen, bezieht sich Inklusion auf alle Schüler. Jedes Kind sollte mit seinen eigenen Fähigkeiten, Bedürfnissen und Besonderheiten wahrgenommen und je nachdem gefördert werden. Alle Kinder sollen gemeinsam lernen. Kein Kind darf ausgeschlossen werden.

Natürlich ist das erstrebenswert – eigentlich wie ein Traum. Dennoch sehen viele Inklusion kritisch oder lehnen sie sogar ab. Ein schwerwiegender Grund dafür ist die Angst, dass man keinem Kind mehr gerecht werden kann. Es bestehen Befürchtungen, dass weder die „Schwachen“ noch die „Starken“ ausreichend unterstützt werden können. Wie soll ein Lehrer 25 Schüler, von denen einige noch besonderen Förderbedarf haben, unterrichten. Um dennoch ein erfolgreiches inklusives Bildungssystem schaffen zu können, müssen die schulischen Bedingungen verändert werden. Die für den Erfolg wohl wichtigsten Vorschläge sind kleinere Klassen und eine konsequente Doppelbesetzung mit einem Regelschullehrer und einem Sonderpädagogen. Des weiteren wäre es empfehlenswert sowohl das Lehramtsstudium, als auch das Studium der Sonderpädagogik zu reformieren und an die neuen Bedingungen anzupassen. Es muss eine positive Grundeinstellung zur Inklusion gefunden werden. Doch in NRW wird ab dem Schuljahr 2014/2015 für Kinder mit Förderbedarf schrittweise ein Rechtsanspruch auf den Besuch einer Regelschule eingeführt, aber eine Regelung zur Verminderung der Klassenstärke oder eine Doppelbesetzung mit zwei Lehrern ist nicht in Sicht. Gesetzlich verpflichtende Qualitätsstandards werden nicht gestellt. Lediglich der Ausbau von Studienplätzen für das Fach Sonderpädagogik wurde versprochen.

Wie sieht die Realität an Schulen in NRW aus?

Die Realität sieht also so aus, dass erst einmal alles so läuft, wie bisher – außer dass immer mehr Kinder mit Förderbedarf die Regelschulen besuchen werden. Diesen Kindern werden Schulische Assistenten – auch Schulbegleiter oder Integrationshelfer genannt – an die Seite gestellt. Die Schulischen Assistenten werden eingesetzt, um Schüler mit besonderem Förderbedarf den Schulbesuch zu ermöglichen und zu erleichtern. Sie unterstützen ihren jeweiligen Schüler bei der Bewältigung des Schulalltags. Leider entsteht aber auch hier ein weiteres Problem. Schulischer Assistent ist kein Ausbildungsberuf. Obwohl abhängig vom Förderbedarf des jeweiligen Schülers pädagogisch ausgebildetes oder geschultes Personal gefordert wird, stellen einige Träger für diese Aufgabe ungeschulte oder fachfremde Arbeitskräfte ein. Oft sind es Studenten oder junge Menschen im freiwilligen sozialen Jahr. Die Lehrer erleben den Schulischen Assistenten so häufig nicht als Entlastung, sondern als zusätzliche Belastung.

Fazit

Mit der Einführung von inklusiven Klassen übernehmen die Lehrer eine große Verantwortung. Läuft es schief, erreicht man keine Inklusion, sondern womöglich das Gegenteil. Es besteht die große Gefahr, dass die Situation statt positiver Auswirklungen negative Folgen für alle Kinder insbesondere aber für Kinder mit Förderbedarf hat. Statt Kinder mit Lernschwierigkeiten zu motivieren und dadurch besser Leistungen zu bringen, könnten sie in ihrem Lernen behindert werden. Statt schüchterne gehemmte Kinder mit Zeit und Ruhe zu stärken, könnten sie sich ganz in sich zurückziehen. Statt Kinder mit Problemen sozial anzupassen, durch positive Bestärkung zu Verhaltensänderungen zu bewegen, droht eine Verstärkung des unerwünschten Verhaltens. Aber nicht nur für die Schüler hätte ein Misslingen Folgen. Auch die Lehrer könnten frustriert und entmutigt werden. Ihre positive Haltung zur Inklusion ist aber die wichtigste Grundlage für das Gelingen.

Es ist also unverantwortlich unter diesen Bedingungen, die Inklusion zu forcieren und die Schulen zur Bildung inklusiver Klassen zu zwingen. Dennoch muss ein inklusives Bildungssystem kein Traum bleiben. Zur Schaffung des Systems sollte man mit Ruhe und Besonnenheit gute Ausgangsbedingungen schaffen. Hat man die ersten erfolgreichen inklusiven Klassen geschaffen, kann man aus deren Erfahrungen lernen und diese für die Einführungen weiterer Klassen nutzen. Die Kinder, die in den nächsten Jahren eine inklusive Klasse besuchen, können in wenigen Jahren schon selber dazu beitragen, eine inklusive Gesellschaft durch ihre Erfahrungen zu unterstützen.

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