SAB.Ruhr Supervisorin Dr. päd. Ute Kaufmann bildete sich 2015 erfolgreich zur zertifizierten „Autismus Therapeutin“ weiter. „Social Stories“, autismus- und kindgerechte Verständigung, Hineinversetzen in SchülerInnen mit Betreuungsbedarf sowie Hintergrundinfos zu Erscheinungsformen und Diagnostik heben SAB-Schulbegleitung auf den nächsten Level.
Bei der Begleitung im Schulalltag stehen sie und ihr Wohlbefinden im Zentrum: Kinder. Geschultes Personal der SAB.Ruhr setzt sich dafür ein, SchülerInnen mit Betreuungsbedarf einen angenehmen Aufenthalt und beste Lernvoraussetzungen zu ermöglichen. Daher passen wir unsere eigenen Ansprüche stetig an, um neue Maßstäbe und Impulse zu setzen. Bisherige Erfolge sollen bestärken, vor allem aber anspornen, den gewählten Weg weiterzugehen.
Zertifizierte Kölner Autismus Weiterbildung
Noch fachkundiger unterstützt und fördert SAB Supervisorin Dr. päd. Ute Kaufmann (46) seit November 2015 unsere Schulbegleiter bei ihren Aufgaben. Durch die „Zertifizierte Kölner Autismus Weiterbildung“ ist sie in der Lage, neueste Erkenntnisse und Ansätze zum Wohle der betreuten Kinder anzuwenden. Diese reichen von Methoden zum besseren Verständnis über „Social Stories“ und Strukturierungshilfen bis hin zu Kommunikation und Verhaltensanalyse.
Der Gedanke hinter der Weiterbildung ist einfach und essentiell: „Durch die vielen Schülerinnen und Schüler mit Autismus, die wir bei der SAB.Ruhr NRW-weit betreuen, hatte ich den Wunsch, meinen Background – auch zur Diagnostik und zu Erscheinungsformen des Autismus – zu erweitern und alternative Vorgehen kennenzulernen.“
Über zehn Monate und mehr als 100 Unterrichtseinheiten liegen hinter Kaufmann, die ihr Wissen nun mit rund 350 Schulbegleitern im Einzugsgebiet der SAB.Ruhr teilt.
Die Weiterbildung ist eine Kooperation vom „AutismusTherapieZentrum Köln“ und dem „Zentrum für Frühförderung und Frühbehandlung (ZFF)“. Wichtiges Entscheidungskriterium für Kaufmann: „Es besteht eine enge Zusammenarbeit mit den Universitäten in Dortmund und Köln. Ich selbst habe als Studentin für das ZFF gearbeitet und mich davon überzeugen können.“
Die richtige Kommunikation ist entscheidend
Für ein harmonisches Miteinander ist die richtige Verständigung zwischen autistischen Kindern und Schulbegleitern entscheidend. Diese beginnt schon vor der Schulzeit, wenn Sprache zunächst angebahnt und anschließend entwickelt wird. Während des Seminars wurde u. a. mit dem PECS*-Verfahren gearbeitet: „Kinder lernen mit Bildern das Sprechen. Es wird geschaut, was das Kind besonders mag. Mithilfe einer Karte kann es dies dann mitteilen.“ Spielerisch wird vermittelt, dass sich Kommunikation lohnt. „Möchte das Kind ein Gummibärchen, zeigt es das mit der entsprechenden Symbolkarte.“
Kaufmann grenzt klar ab: „Es geht keinesfalls um Konditionierung.“ Nach und nach sollen mehr Verbindungen zu Symbolen aufgebaut und dadurch komplexe Verständigung ermöglicht werden.
Auch Lehrer sensibilisieren
Später ergeben sich dann Situationen im Schulalltag, in denen Hintergrundwissen für Lehrer bedeutsam ist. Viele Autisten haben z. B. Probleme mit Ironie, Metaphern und Redewendungen, da sie alles wörtlich nehmen: „Das muss dem Schulpersonal klar sein, um Missverständnisse zu verhindern und Ratlosigkeit bei Kindern vorzubeugen. Deshalb holen wir die Lehrer mit ins Boot.“
Reizminderung dank Hineindenken
Eine weitere Grundlage der Weiterbildung ist es, den Teilnehmer aufzuzeigen, wie sie sich selbst besser in autistische Menschen hineinversetzen können. Es ist nicht der Ansatz, betroffene SchülerInnen mit Macht an vermeintlich „normale“ Kinder und Konzepte anzupassen, sondern die Umwelt ihren Bedürfnissen entsprechend zu gestalten. „Durch diese Art der Sensibilisierung erlebe auch ich Unterricht und Klassenraum jetzt ganz anders und empfinde den Lärm teilweise ebenfalls als äußerst störend“, berichtet Kaufmann.
Schulbegleiter erkennen so selbst Möglichkeiten der Reizminderung: „Heutzutage gibt es weniger Frontalunterricht, dafür mehr Gruppen- und Einzelarbeiten mit entsprechend höherem Geräuschpegel. Deshalb legen wir z. B. Kopfhörer bereit. Sobald es manchen Schülern zu laut wird, können sie diese einfach aufsetzen und ungestörter weiterarbeiten.“
Mit „Social Stories“ Verhaltensformen vermitteln
Mit kurzen und knappen Geschichten werden soziale Verhaltensformen vermittelt. „Social Stories“ werden individuell für autistische Menschen geschrieben – immer in der Ich-Form und aus Sicht der Betroffenen, die somit ganz gezielt angesprochen werden: „Das ist ein ganz neues Instrument. So können wir einem Kind erklären, dass man auch einmal in einer Schlange vor dem Lehrerpult warten muss.“
Verstärkt wird die positive Wirkung durch sich wiederholende Motivationsmantras: „Ich kann das. Ich schaffe das. Meine Schulbegleitung hilft mir dabei.“ Mit einer solchen Bestätigung, „können wir Ängste nehmen und eine angenehme Atmosphäre schaffen“.
Kaufmann selbst hat das Prinzip bereits erfolgreich umsetzen können: „Man merkt, dass Kinder Situationen besser begreifen, darf aber nicht vergessen, dass es immer unterschiedlich ist.“ Wichtig sei es, „autismus-spezifisch zu schreiben, was im Seminar gelehrt wird“.
Für eine SAB-Schulbegleiterin hat Kaufmann zunächst zwei Beispielgeschichten geschrieben, die sofort freudig vom Kind umgesetzt wurden. „Mittlerweile schickt mir unsere Mitarbeiterin eigene Entwürfe zu neuen Situationen und ist begeistert von den Erfolgen.“
Strukturierungshilfen mit dem Kind entwickeln
Bei vielen Autisten löst das Unbekannte Ängste aus. Hilfreich kann es sein, dem Kind anhand eines Stundenplans Stück für Stück zu zeigen, wo man sich gerade im Tagesablauf befindet und was als nächstes kommt. Auch hier gilt: Jedes Kind hat andere Vorlieben: „Manche bevorzugen ein laminiertes DinA4-Blatt, andere möchten lieber etwas faltbares, unauffälligeres, wieder andere verzichten ganz darauf“, stellt Kaufmann fest.
Kleine, konkrete Anweisungen können den SchülerInnen zudem Sicherheit geben. Die Supervisorin gibt einige Beispiele: „Wie packe ich meine Tonne? Was gehört an meinen Platz? Bei Kindern, die Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis haben, reicht es manchmal schon, ihnen einen Notizzettel mit auf den Weg zu geben, wenn sie Materialien holen sollen.“
Präsentiert wurden ebenfalls Einblicke in die ABA*-Verhaltensanalyse. „Hieraus wenden wir allerdings nur Aspekte an, da diese 24-Stunden-Therapieform eine gesonderte Ausbildung benötigt.“ Herangehensweisen sind u.a., das gewünschte Verhalten zu bestärken und unerwünschtes zu ignorieren, um es langsam auszuschleichen.
Enorm wichtig für Kaufmann bei allen Therapieformen und Ansätzen ist jedoch: „Ein Kind muss immer ein Kind bleiben dürfen und auch die Eltern sollen nicht zu Therapeuten umfunktioniert werden.“
Allein der Austausch über Autismus, Diagnostik, Erscheinungsformen, den Schulalltag, Elternarbeit und auch den Forschungsstand der Medizin sei eine große Bereicherung gewesen, bilanziert Kaufmann die Weiterbildung. Und diese kommt nun jenen zugute, um dies es geht: Den Kindern.
*PECS steht für „Picture Exchange Communication System“, zu Deutsch etwa: Bild(er)-(Aus)Tausch- Kommunikationssystem
*ABA ist die Kurzform von „Applied Behavior Analysis“, zu Deutsch: Angewandte Verhaltensanalyse