Vier betreute Kinder und Jugendliche besuchen mit zwei Schulbegleitern der SAB.Ruhr Reittherapeutin Inke Grauenhorst. Zwei Tage Ferienfreizeit mit Pferden ermöglichen viele neue Erfahrungen.
Mensch und Pferd verbindet seit Jahrtausenden eine innige Verbindung. Die Einhufer stellen ihre Dienste nicht nur für Last- und Transportarbeiten zur Verfügung oder schwingen sich und ihre Reiter zu sportlichen Großtaten auf. Bereits im 19. Jahrhundert mehren sich Berichte über „heiltherapeutisches Reiten“ und die vielseitigen Erfolge, die damit erzielt werden.
Erstmaliger Besuch des Reitvereins Dortmund-Kirchlinde
Auch die SAB.Ruhr vereinte nun einmal mehr Therapie, Spaß und Bewegung: Vier Kinder und Jugendliche (acht bis 15 Jahre) mit unterschiedlichen geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen besuchten mit zwei Schulbegleitern am 8. und 9. April den Reitverein Dortmund-Kirchlinde. Von jeweils 11 bis 13 Uhr verbrachten sie ihre Ferienfreizeit mit Reittherapeutin Inke Grauenhorst (36), die den Teilnehmern behutsam die „Bewohner des Hofes“ vorstellte und erste Kontakte sowie Vertrauen zueinander herstellte.
Ängste überwinden
Erstmals hat die Reittherapeutin nun gemeinsame Sache mit der SAB.Ruhr gemacht und freut sich über erkennbare Erfolge: „Schon am zweiten Tag hat man die individuellen Entwicklungen der Teilnehmer sehen können“, so Grauenhorst. Die Fortschritte waren dabei sehr unterschiedlich – genau wie die jeweiligen Ausgangslagen. Für einen Zehnjährigen war es ein Erfolg, sich am zweiten Tag angstfrei den Tieren nähern zu können. „Insgesamt war er gesprächiger und lebhafter. Daran war zu Beginn nicht zu denken. Mit ihm müsste ich mehr Zeit verbringen, bis er sich auch aufs Pferd trauen würde.“
Im Galopp die Angst meistern
Anders sah es bei einer 15-Jährigen aus, die bereits Vorerfahrungen mit einem Therapiestall hatte: „Nachdem sie mir erzählte, dass sie gerne galoppieren würde, habe ich ihr am zweiten Tag die Warmblutstute ‚Sweety‘ vorgestellt“, berichtet Grauenhorst. Die Größe des stattlichen Rosses verunsicherte die Jugendliche anfangs etwas, was die Therapeutin nicht verwundert: „Die Situation war für sie etwas Neues. Laut ihrer Aussage befand sie sich auf einer ‚Angstskala‘ von 0 – 10 bei einer Fünf, als sie Sweety vor sich stehen sah.“ Doch die Selbstzweifel mit der Aussage „Nee, das wird nichts…“ konnten erfolgreich überwunden werden. Durch das ruhige Wesen der Stute sank die Angst auf „null“ und die Jugendliche galoppierte erfolgreich mehrere Runden an der Longe. Anschließend war sie sichtlich gelöst, und flachste und lachte zum Abschied mit der Therapeutin.
„Kleine Bonbons“
„Das sind die kleinen ‚Bonbons‘, die einem die Kinder schenken“, freut sich Grauenhorst. „Dieses Gefühl von Selbstwirksamkeit erzeugt letztlich Selbstbewusstsein. ‚Ich kann etwas, ich schaffe das, ich bewältige meine Angst.‘ Solche Gedanken sind ganz wichtig.“
Pferde benötigen besonderes Naturell
Damit dies funktioniert, bereitet die 36-Jährige ihre Pferde penibel auf die Therapie vor: „Der Verein stellt mir bis zu zehn Schulpferde zur Verfügung. Die zwei verlässlichsten Kandidaten kenne ich mittlerweile sehr gut.“ An die Therapiepferde werden besondere Anforderungen gestellt, da sich „Kinder anders verhalten, auch mal schreien oder sich ungewohnt bewegen können“. Die eingesetzten Pferde benötigen daher ein bestimmtes Naturell, konkretisiert Grauenhorst: „Sie müssen neugierig, aber ruhig, dabei weder schreckhaft, noch zu abgestumpft sein. Extrem wichtig ist, dass sie jederzeit anhalten und sich gut an Zügel und Longe führen lassen.“
Solche Eigenschaften ermöglichten auch einer schwerst-mehrfach-behinderten Rollstuhlfahrerin zusammen mit ihrer Schulbegleiterin – die hinter ihr saß und die Zwölfjährige stabilisierte – Runden auf dem Pferderücken zu drehen. „Sie saß am zweiten Tag aufrechter, hatte eine wachere Mimik und ließ erkennen, wie viel sie trotz ihrer Einschränkung von ihrer Umgebung wahrnimmt.“
Die Freude an der außergewöhnlichen Bewegungserfahrung war auch einem achtjährigen Mädchen deutlich anzusehen. „Wäre es nach ihr gegangen, würde sie wohl immer noch durch die Halle traben“, lacht Grauenhorst. „Auch sie war am zweiten Tag viel konzentrierter, saß sicherer auf dem Pferderücken und strahlte über das ganze Gesicht.“
Hoffen auf ein weiteres Reitabenteuer
Diese augenscheinlichen Änderungen zeigen, dass Reittherapie weit über den Aspekt der Bewegung hinausgeht, auch auf mentaler und sozialer Ebene die Teilnehmer erreicht. Schon nach kurzer Zeit entwickelten die Vier ein Verhältnis zu den Tieren und konnten ihre Ängste überwinden.
Logisch also, dass sowohl die Teilnehmer als auch die beiden Schulbegleiter auf eine baldige Wiederholung des Reitabenteuers hoffen. Grauenhorst, Sweety und Co würden sich ebenfalls freuen.
Reittherapeutin aus Passion
Die Diplom-Rehabilitationspädagogin Grauenhorst sattelte 2014 beruflich um und machte ihre Passion zum Hauptberuf: „Ich war schon als Kind sehr Pferde-affin, als Jugendliche im Verein aktiv. Während meiner Studienzeit habe ich beim Projekt ‚Starke Jungs‘ mitgearbeitet, bei dem es um Bewegungsangebote für und die heilpädagogische Förderung mit Pferden von traumatisierten Kindern ging. Danach wollte ich auch unbedingt in diesem Bereich arbeiten“, beschreibt Grauenhorst ihren Werdegang.
Inke Grauenhorst (Jg. 1978)
wohnhaft in Dortmund
Diplom-Rehabilitationspädagogin
Reit- und Voltigierpädagogin (DKThR)
seit 2009 in der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd tätig
reittherapie.ruhr
i.grauenhorst@reittherapie.ruhr
0177/7310855